Wolf-Dieter Roth                                                                                            
Bergstr. 23a                                                                                                   
D-86807 Buchloe                                                                                  

      

Wolf-Dieter Roth, Bergstr 23a, D-86807 Buchloe
Deutscher Bundestag
Petitionsausschuß
Platz der Republik 1

11011 Berlin

4. März 2002

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Petition – Gegenstand: Abschaffung der Rechtsunsicherheit bei Internetadressen, Schutz privater und vertraulicher E-Mail vor „Reverse Domain Hijacking“

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

am 13. März 2000 wurde ich Opfer eines Internetfeldzuges des Rundfunkintendanten Fritz Pleitgen: Der Westdeutsche Rundfunk erhob plötzlich Anspruch auf meine bis dahin bereits zwei Jahre in Absprache mit demselben ohne Probleme geführte Internetadresse wdr.org und die daran angeschlossenen E-Mail-Adressen unter anderem pconline@wdr.org (Pressemeldungen für mich als Redakteur des Internetfachmagazins PC-ONLiNE), wolf@wdr.org, privat@wdr.org (beide für meine private und familiären Kontakte) robin@wdr.org (dasselbe für Freunde und Familie meiner Partnerin Robin Lynn Miller).

Herr Pleitgen verlangte eine Übergabe innerhalb 51 Stunden. Begründung: kommerzielle Konkurrenz, als Beispiel wurde mein auf der Website erwähntes Hobby (!) Amateurfunk und ein Buch, zu dem ich einmal ein Kapitel über Schnurlostelefone und Handys (also Funktelefone) beigetragen hatte. Völliger Unsinn, ging aber später so vor Gericht durch.

Ich war im Umzug, hatte keine Möglichkeit, auf einen Computer zuzugreifen. Da nach dem Umzug die E-Mail zunächst die einzige Kontaktmöglichkeit zur Familie war und hier eine massive Verletzung der Privatsphäre eingetreten wäre, wurde die Unterlassungserklärung, welche die sofortige Übergabe von E-Mail und Internetadresse verlangte, nicht unterzeichnet.

Die massiven Folgen können Sie auf http://www.dl2mcd.de/domain.html nachlesen, in Kurzform: per einstweiliger Verfügung sofortiges Verbot, meine nach dem Umzug neue postalische Adresse, Telefon- und Faxnummer im Internet anzugeben bei Strafandrohung von 500.000 Mark sowie 40.000 Mark Gerichts- und Anwaltskosten. Hinzu kamen mittlerweile 2 Jahre Dauerärger. Der Rundfunk ist der Ansicht, ich habe mich als er ausgeben wollen, was definitiv nicht der Fall war: WDR ist zwar mein Spitzname seit ich 12 Jahre bin, was Anlass zur Wahl der Internetadresse war, doch habe ich niemals geschäftlich unter WDR firmiert. Dass dies auf der Website auch klar vermerkt war, wurde mir vom Rundfunk bzw. Gericht sogar noch zur Last gelegt. Nachdem ich auf wdroth.de ausgewichen war, ging der ganze Zirkus noch mal los. Und dabei war die eigene Internetadresse gerade angeschafft worden, weil ein Provider vorher unzuverlässig war und meine Post einem anderen Kunden ausgeliefert hatte.

Ich fordere deshalb, um die beinah tägliche Wiederholung solchen Unfugs einzudämmen:

·         rechtliche Trennung zwischen Firmierungen und Adressen. Eine Internetadresse hat eine technische Funktion wie eine Telefonnummer oder eine Straße mit Hausnummer. Wird diese von heute auf morgen jemand anders zugeteilt, so entspricht dies nicht etwa nur dem Abschrauben eines umstrittenen Firmenschilds, wie Juristen immer wieder behaupten, sondern der sofortigen Umleitung auch vertraulicher Post oder einer „Hausbesetzung“ bzw. Post-Nachsendeantrag. Es kann nicht angehen, dass aufgrund teils auch nur behauptetem Wettbewerb Internetadressen oder Telefonnummern (auch schon passiert!) einem Fremden innerhalb weniger Stunden ausgehändigt werden müssen.

·         Regelung von derartigen Adressstreitigkeiten in einem ordentlichen Verfahren z.B. sogenannte UDRP, nicht das in Deutschland übliche Schnellgericht „einstweilige Verfügung“, was hier den Schaden überhaupt erst angerichtet hat

·         Anerkennung von E-Mail als vom Brief- und Fernmeldegeheimnis nach § 10 des Grundgesetzes geschützte Kommunikation, die nicht einfach von einem vermeintlichen Wettbewerber beschlagnahmt werden darf

·         Einschränkung des heutigen Markenrechts auf echte kommerzielle Konkurrenzfälle, nicht besonders bösartige Verfolgung kleiner Leute durch die Konzerne. Reduzierung des Streitwerts auf realistische Werte, statt laufende Erhöhung auf momentan typisch 250.000 bis 500.000 Euro selbst gegen Privatleute

·         Zwingende Anwendung der Instrumente, die solche Ungerechtigkeiten eigentlich verhindern sollen (Schutzschrift zur Abwehr einer übereilten einstweiligen Verfügung, Prozesskostenhilfe für beklagte Privatleute). Diese werden momentan prinzipiell abgelehnt

·         Reduzierung der Bedeutung des Internet auf reelle Werte. Wenn eine Firma eine Produktbezeichnung, Marke oder Firmierung einer anderen Firma ungerechtfertigt verwendet, sind die Folgen weit geringer – meist wird nicht mehr verlangt, als das strittige Firmenschild abzuschrauben und das Briefpapier aufzubrauchen. Wenn es um Internet geht, ist dagegen plötzlich alles 100x so schlimm, auch wenn objektiv gar keine eilige Situation besteht (in meinem Fall bereits 2 Jahre Betrieb der betr. Adresse ohne Beanstandung).

 

[Unterschrift]

Wolf-Dieter Roth