E-Netz in München: Nicht nur für Spaziergänger

Das E-Netz wird oft nur als preiswerte Alternative für Fußgänger und lediglich lokal tätige Gewerbetreibende wie Handwerker gesehen. Doch damit hat man E-plus unterschätzt: Der Dritte im Bunde der digitalen Netzbetreiber ist bereits nach wenigen Monaten eine echte Alternative in der Großstadt, wie die Funkschau bei Meßfahrten im Münchner Großraum feststellen konnte.

Wozu noch ein drittes Mobiltelefon-Netz, wenn man mit D1 (DeTeMobil) und D2 (Mannesmann Mobilfunk) doch schon zwei funktionierende Netze hat, fragt sich automatisch der Mobilfunk-Interessent. Die einzige Antwort, die seine Entscheidung gegen die D-Netze beeinflussen kann, lautet: weil das E-Netz billiger und besser ist.

Daß das E-Netz etwas billiger ist als die D-Netze, ist bekannt. Aber wie steht es mit dem zweiten Kriterium, der Qualität? Kann das E-Netz wirklich dasselbe oder gar mehr als die D-Netze leisten?

Im jetzigen Ausbaustand werden zunächst nur die Ballungszentren versorgt - eine den D-Netzen vergleichbare deutschlandweite Abdeckung ist erst für Ende 1996 vorgesehen. Und auch, wer häufig im Ausland telefonieren möchte, ist mit D1 oder D2 bislang besser bedient. Auf die gegenwärtig ausgewiesene Netzabdeckung ist jedoch Verlaß, wie die Funkschau im Münchner E-Netz austesten konnte.

Das E-Netz ist von der Struktur her ähnlich D2 in Kleinzellentechnik und sektorisiert aufgebaut. Dies bedeutet, von jedem Funkturm gehen Richtantennen mit verschiedenen Frequenzen in verschiedene Himmelsrichtungen. Dies erhöht die Gesprächskapazität in der Funkzelle und führt außerdem dazu, daß bei Ausfall oder Überlastung einer Zelle das Gespräch ohne Probleme von der Nachbarzelle übernommen werden kann. Die Zellendichte liegt in München dabei mit 300 Funkzellen noch einmal 30 Prozent höher als bei D2, wobei die Zellendichte zur Innenstadt hin zunimmt. Der Erfolg: Klare Verbindungen ohne die aus dem D1- und teilweise auch D2-Netz bekannten Echo- oder Robotergeräusche - wenn man seinen Gesprächspartner nicht vorher davon informiert, merkt er nicht, daß es sich um ein Mobiltelefonat handelt.

Dabei ist das E-Netz übrigens keineswegs nur für spazierengehende Handybenutzer gedacht, sondern auch im Auto hervorragend verwendbar. Sowohl die Verwendung von Außenantennen als auch das im D-Netz verpönte Telefonieren mit der eingebauten Handyantenne im Fahrzeug sind kein Problem, und trotz der kleineren Zellenstruktur und der höheren Sendefrequenz ist eine stabile Verbindung bis zu höchsten Geschwindigkeiten gewährleistet. Die Sendestandorte hat E-plus dabei so gewählt, daß auch in den Tunneln des vielbefahrenen Mittleren Rings eine stabile Verbindung möglich sein sollte. Auch alle weiteren von D-Netz-Handies bekannten Zubehörteile wie Freisprechanlagen, Fensterklemmantennen, Zusatzakkus und Tischlader sind für die E-Netz-Geräte genauso verfügbar.

Das Münchner E-Netz war zum Testzeitpunkt gerade erst zwei Monate in Betrieb. In der praktischen Erprobung mit dem Handy im Fahrzeug konnte zunächst die Verbindung vom Olympiagelände über den Mittleren Ring über die Autobahn bis zum Verlag nach Poing im Münchner Osten ohne Aussetzer gehalten werden - auch Unterführungen und Tunnel bereiteten hier keine Probleme und sogar im Verlagslift blieb die Verbindung - wenn auch mit Aussetzern - bestehen. In Richtung Münchner Süden über den Leuchtenbergtunnel bis zum Michaelibad war ebenfalls ein störungsfreies Dauergespräch möglich. Bei einer weiteren Meßfahrt in den Münchner Westen riß das Gespräch allerdings je einmal im Trappentreutunnel sowie bei der Abfahrt von der Autobahn A96 Lindau, Anschlußstelle Gilching-Argelsried, ab. Diese zwei Aussetzer sind noch akzeptabel und im Bereich der vom D-Netz gesetzten Toleranzschwelle, wenn auch im ersten Fall unverständlich, da gerade an der Donnersberger Brücke eine Sendeanlage installiert wurde. Die Abfahrt von der A96 war dagegen auch in den ersten Monaten des D2-Netzes als Problemstelle bekannt.

Zu Fuß in der Stadt unterwegs zeigt sich eine deutlich bessere Versorgung als in den D-Netzen. So ist auch das von beiden D-Netzen bekannte Funkloch Westend dank der Station an der Donnersberger Brücke gut versorgt. Lediglich innerhalb des Münchner Olympiagelände versagte das E-Netz-Handy häufig, da hier noch keine Basisstation aufgebaut wurde. Beim Umfahren des Olympiageländes war dagegen kein Funkloch zu entdecken. Insgesamt gibt E-plus in München eine Gesprächsrate über 90 Prozent an. Und das funktechnisch bedingte Problem in Wäldern - Bäume absorbieren die E-Netz-Funkwellen mit ihren 1800 MHz sehr gut - wirkt sich zumindest innerhalb der Stadtgrenzen nicht zu sehr auf die Netzversorgung aus. Lediglich größere abgelegene Waldgebiete wird man auch im Endstadium Ende 1996 mangels Nutzen nicht versorgen.

Auf der Autobahnstrecke München-Augsburg kann E-plus noch nicht mit der Netzplanung mithalten - diese Funkstationen waren zum Testzeitpunkt Mitte Januar noch nicht aktiviert. Sonst stimmte die Versorgung jedoch gut mit der Planung überein, sodaß man sich auf die von E-plus lieferbaren Karten verlassen kann, wenn man erfahren möchte, ob in einem bestimmten Ort Funkversorgung besteht oder nicht.

Die zukünftige E-Netz-Planung sieht nach der Versorgung der Autobahnen auch die Abdeckung der Bahnlinien vor, was angesichts der Zusammensetzung des E-plus-Konsortiums mit den Hauptteilhabern Veba und Thyssen kein Problem sein dürfte: Veba hält die Mehrheit am geplanten Joint Venture mit der Deutschen Bahn AG zum Aufbau eines Telekommunikationsnetzes entlang der Schienentrassen. Dabei soll die Indoor-Versorgung über aktive Repeater in den bislang noch abschirmenden IC- und ICE-Zügen gleichzeitig mit dem D-Netz gewährleistet werden. In der Münchner S-Bahn waren im Test noch keine kontinuierlichen Verbindungen möglich: Manche Bahnhöfe sind bereits gut versorgt, andere (vor allem auf den Außenstrecken) noch nicht. Hinzu kommt auch bei der S-Bahn die abschiormende Wirkung der Fensterverglasung, auch wenn diese nicht so stark in Erscheinung tritt wie bei IC und ICE.

Praktische Netzprobleme zum Testzeitpunkt hielten sich in Grenzen: die Abschaltung der Verbindung nach dem Verbindungsabriß erfolgte etwas langsam und die automatische Rufumleitung auf den netzeigenen Anrufbeantworter war zeitweise gestört. Auch wird das Einbuchen und der Verbindungsaufbau rein subjektiv als etwas langsamer als im D-Netz wahrgenommen. In der Praxis ist das E-Netz jedoch deutlich unkomplizierter zu bedienen und liefert - dank der geringeren Sendeleistung - weniger Störungen in anderen Elektronikgeräten und höhere Gesprächszeiten. Auch die In-House-Versorgung ist - solange der betreffende Raum Fenster hat - deutlich besser als im D-Netz. Die Geräte sind zwar noch teurer und die Auswahl bislang weitaus geringer als im D-Netz-Markt, doch wer auch bei Kunden im Büro mit dem Handy in der Tasche zuverlässig erreichbar sein will, sollte das E-Netz in seine Überlegungen einbeziehen.

Erstaunlich gering ist dabei im Vergleich zu den D-Netzen rein äußerlich gesehen der vom Netzbetreiber notwendige Aufwand: Statt großer Funktürme sieht man lediglich kleine Funkantennen, die kaum Bürgerinitiativen gegen sich aufbringen werden, zumal auch die Sendeleistung der Basisstationen mit maximal fünf Watt ebenfalls geringer ist als im D-Netz. Und auch die Knotenrechner und Vermittlungsanlagen für den Münchner Raum und weit darüber hinaus sind in einigen wenigen Räumen untergebracht. Dort befinden sich auch die Kontrollmonitore, mit denen das gesamte bayrische Netz überwacht werden kann, sodaß mögliche Ausfälle schnell entdeckt und behoben werden können. Da alle Basisstationen und auch die meisten der momentan im E-Netz benutzten Handies (PT 11 und Philips PR 748) von einem Hersteller (Nokia) stammen, hat man auch nicht mit solchen Inkompatibilitäten zu kämpfen wie anfänglich im D-Netz. Die Telefonnummer wird von E-Netz-Handies zu ISDN-Anschlüssen übertragen, was später wahlweise auch abschaltbar sein soll.

(WDR)