GSM-Datenübertragung: Neue Entwicklungen

DDD - Daten digital und drahtlos

Viel ist in den letzten Monaten über die Daten- und Faxübertragung im D-Netz geschrieben worden. Manches hat dabei eher verwirrt. Modems für den Sprachkanal, Modems für den Datenkanal, Modems für ISDN- und LAN-Anbindungen. Und trotzdem nicht mehr als 9600 Bit/s. Oder doch?

Eigentlich müßte der in den D-Netzen verwendete GSM-Standard ja optimal für die Datenübertragung geeignet sein - immerhin arbeitet er ja selbst digital. Doch ganz so unkompliziert ist die Sache nicht. Es ist relativ einfach, die Daten auf der Mobilgeräteseite ins GSM-Netz zu bekommen, das andere Ende - die Basisstationen und zugehörigen Knotenrechner - machen hier schon mehr Arbeit. Dort muß entschieden werden, ob es sich bei dem codierten Datenstrom um Sprache, analoge Modemsignale, Faxsignale oder gar für das digitale ISDN-Netz bestimmte Daten handelt. Während die Sprachcodecs überall bereits stehen, weil sie zum Telefonieren unentbehrlich sind, werden entsprechende Codecs für Fax und Daten erst jetzt eingerichtet. Sie enthalten neben entsprechenden Daten- beziehungsweise Faxmodems noch Software, die die GSM-internen Fehlerkorrekturmaßnahmen durchführt. Diese ist auch in dem Fall notwendig, mobil Daten ins ISDN-Festnetz übertragen zu wollen.

Auf der Mobiltelefonseite ist der Anschluß eines GSM-Modems relativ einfach. Tatsächlich handelt es sich auch nicht um ein Modem, da die Digitalsignale ja lediglich umcodiert werden. Bezeichnungen wie "Datenadapter" treffen den Sachverhalt eher. Allerdings sind die Schnittstellen der Telefone leider nicht genormt, daher ist ein Datenadapter nur für genau ein Telefonfabrikat geeignet - ein für Siemens-Telefone gedachter Adapter ist wertlos, wenn man ein Ericsson-Telefon besitzt! Die Adapter-Entwickler müssen sehr intensiv mit den Telefon-Entwicklern zusammenarbeiten, daher ist es naheliegend, daß ein Telefon-Hersteller auch gleich den passenden Datenadapter entwickelt. So ist es zur Zeit bei Motorola und Nokia, wobei der Motorola-Datenadapter aber noch nicht verfügbar ist.

Ein "Modem" sind die GSM Datenadapter eigentlich nicht

Es gibt aber auch Modem- und ISDN-Spezialisten, die sich selbst an die Entwicklung eines Datenadapters gemacht haben. Dies sind in Deutschland die Firmen AVM, Dr. Neuhaus und TLK, die alle mit Siemens zusammenarbeiten und deren Adapter daher an den Siemens-Telefonen P1, S1, Marathon und S3 verwendet werden können. Der Datenadapter von Dr. Neuhaus wird dabei auch von Siemens direkt angeboten.

Das GSM-Netz bietet zunächst keine hundertprozentige Fehlerkorrektur, da es für Sprachübertragung entworfen wurde. Im Datenfunk oder bei Festnetz-Datenübertragung übliche Fehlerkorrekturmaßnahmen (beispielsweise X-Modem oder X.25) zerlegen den Datenstrom in Pakete und versehen diese mit einer Prüfsumme. Stimmt diese beim Empfänger nicht, dann wird eine Wiederholung angefordert. Da die dadurch entstehenden Verzögerungen bei Sprache sehr lästig wären, benutzt man zwar Paketübertragung und Prüfsumme, verzichtet aber auf die Wiederholung. Ist der Empfang gestört, so wird interpoliert oder stummgeschaltet. Dazu wird die Sprache analysiert und besonders kritische Teile mit zusätzlicher Redundanz versehen, die eine Rekonstruktion auch bei leicht gestörter Übertragung gestatten. Dies wird auch als Forward error correction (FEC) bezeichnet, da eine nachträgliche Korrektur auch ohne Datenwiederholung möglich ist. Mit kurzen Knacksern und Aussetzern kann man bei Sprachübertragungen leben.

Auch in Faxen sind kurze Aussetzer zwar unschön, aber noch zu verkraften, wenn sie sich in Grenzen halten. Allerdings sind die Ansprüche bereits höher als bei der Sprache, bei der man ein nicht verstandenes Wort aus dem Zusammenhang erkennen oder nochmal nachfragen kann und so eine manuelle "Fehlerkorrektur" durchführt.

Bei der echten Datenübertragung führt nun schon ein falsches Bit zu Ärger. Hier kann man zwar die von Telefonmodems bekannten Verfahren verwenden, die bei GSM aber infolge der GSM-eigenen Verzögerungen von einigen Zehntelsekunden sehr ungünstig sind. Ein ständiger Handshake zwischen Sender und Empfänger wie beim X-Modem-Protokoll würde die Übertragung ganz erheblich bremsen. Daher wurden im GSM-Protokoll selbst Möglichkeiten zur gesicherten Datenübertragung vorgesehen, allerdings sind diese zur Zeit noch nicht in den deutschen D-Netzen verfügbar. Die Freischaltung wird bis Ende des Jahres erwartet. Tatsächlich sind die Verzögerungen bei GSM-Datenübertragung übrigens sogar deutlich höher als bei Sprache, da die Daten zwecks geringerer Störanfälligkeit über mehrere verschiedene Pakete verteilt werden. Fällt hiervon beim Empfang beispielsweise durch Zündfunkenstörungen eines aus, so kann die Information so noch vollständig rekonstruiert werden.

Um auch bei der bereits verfügbaren ungesicherten Daten- und Faxübertragung die Fehlerquote gering zu halten, wird auch hier die vom Sprachbereich bekannte Forward error correction angewandt. Auf einer Funkfrequenz können im GSM-Standard mit ungefähr 270 kbit/s 8 Kanäle im Zeitmultiplex übertragen werden, wovon jedem brutto 22,8 kbit/s zur Verfügung stehen. Der Rest wird für die Umschaltzeiten zwischen den Kanälen sowie Kontroll- und Equalizerbits (zur Anpassung des Decoders an die Funkstrecke) benötigt. Zieht man hiervon die für FEC benötigten Bits ab, so stehen netto noch 13 kbit/s zur Sprach- oder 12 kbit/s zur Datenübertragung zur Verfügung. (Die Differenz ergibt sich aus der unterschiedlichen FEC-Kodierung für Sprache und Daten). Analogmodems und -faxe können somit mit maximal 9,6 kbit/s angesprochen werden, 14,4 kbit/s und mehr sind nicht erreichbar. Auch neue Modemtechnologien können hieran nichts ändern, da nicht die analoge Telefonleitung der begrenzende Faktor ist, sondern die digitale GSM-Übertragung.

Maximale GSM-Datenrate: 12 kbit/s

Übertragungen ins ISDN-Netz können gut 1/3 schneller sein, da hier die vollen 12 kbit/s ausnutzbar sind. Die nächstliegende ISDN-Übertragungsnorm V.110, wie sie in den Basisstationen ab Herbst 1994 angeboten werden soll, kennt allerdings auch nur Übertragungsraten von 9600 bit/s. Der Hersteller AVM benutzt dagegen einen Übertragungsmodus, der auf der ISDN-CAPI-Schnittstelle aufsetzt und so die vollen 12 kbit/s gestattet, wobei nichttransparent, alöso gesichert, übertragen wird. Zusätzlich kann auf der GSM-Seite wie bei Analogmodems komprimiert werden, womit sich je nach Daten der Durchsatz noch entsprechend erhöht. AVM gibt hier typische Kompressionsfaktoren von 1:3 an, womit sich die Übertragungsrate im Falle GSM <-> ISDN auf 36 kbit/s erhöht und diese damit besser an die im ISDN-Netz möglichen 64 kbit/s anpaßt. Für reine ISDN-Anbindung ist das AVM-Produkt somit optimal. Allerdings lassen sich bereits komprimierte Daten natürlich nur mit den normalen 12 kbit/s übertragen. Ist die Gegenstelle kein richtiger ISDN-Controller mit CAPI-Interface, sondern nur ein einfacher V.24-Terminaladapter, auch als "ISDN-Modem" bezeichnet, so sind nur 9,6 kbit/s ohne Kompression möglich.

Die Geräte im Detail

PCMCIA-Karten sind für GSM-Adapter eine naheliegende Lösung, da es bei einer wirklich mobilen, leichten Lösung auf jedes Gramm ankommt - was nützt das superleichte Handy, wenn man dann ein schweres Modem mit sich herumschleppt? Während der GSM-Adapter von AVM speziell für ISDN-Übertragungen bestimmt ist, sind die Gipsy-Card von Neuhaus und die Nokia Cellular Data Card außerdem für Datenübertragung zu einem Analog-Modem und zum Faxen geeignet. Dr. Neuhaus setzt dabei auf den im Netz bereits verfügbaren transparenten Datenübertragungsmodus, in dem außer der stets vorhandenen FEC keine Fehlerkorrektur stattfindet. Für Modemapplikationen ist dies nicht optimal, weshalb in Kürze für die Gipsy-Adapter auch MNP-Datensicherung verfügbar sein wird. Zusätzlich zur Gipsy-PCMCIA-Card bietet Dr. Neuhaus noch den Daten-Service-Adapter DSA, der über eine RS-232-Schnittstelle mit Fax- und Terminalsoftware, aber auch über eine Telefonschnittstelle mit Mobil-Faxgeräten betrieben werden kann. Damit kann auch das Mac-Powerbook angeschlossen werden.

Nokia setzt stattdessen auf den für Datenübertragung passenderen nichttransparenten Modus, in dem das GSM-Netz selbst für korrekte Datenübertragung sorgt. Dieser wird allerdings ebenso wie die Übergänge ins ISDN-Netz erst ab Herbst 1994 von den Netzbetreibern angeboten, und dies zunächst auch nicht flächendeckend. Solange wird man mit der Nokia-Karte nur faxen können, denn hierzu wird der einfachere transparente Modus verwendet. Speziell mit der auch hier möglichen Anbindung ans ISDN-Netz hat man bei Nokia noch einiges vor: Statt der relativ aufwendig zu handhabenden Modem-Verbindungen über Terminalprogramme will man über Netzwerksoftware Ethernet-ähnliche LAN-Anbindungen anbieten, die dann für den Benutzer aus der EDV-Welt leichter zu handhaben sind. Allerdings bleibt die für LANs niedrige Datenrate von 9600 bit/s.

Zusätzlich kann mit der Nokia-Karte auch der Short-Message-Service (SMS) komfortabel vom Notebook aus bedient werden. Mit entsprechender Applikationssoftware entsteht hier in bestimmten Anwendungsbereichen (beispielsweise Fahrerinformation bei Speditionen) Konkurrenz zu Modacom, solange die SMS-typischen 160 Zeichen pro Nachricht ausreichen. Damit deckt die Nokia-Karte das größte Anwendungsspektrum ab.

Das TLK-GSM-Modem bietet transparente (ungesicherte) Fax- und Datenübertragung nach GSM-Norm wie die Dr. Neuhaus-Geräte, zusätzlich aber noch die Möglichkeit, über eine normale GSM-Sprachübertragung Daten zu senden. Daher darf dieses Gerät auch korrekt "Modem" genannt werden, denn dazu werden diese in sprachähnliche Geräusche verwandelt. So werden sie von den Sprachcodecs akzeptiert, was bei den üblichen Modemtönen nicht der Fall ist. Da bei der Gegenstelle ebenfalls diese speziellen Geräusche ankommen, wird dort ein zweites TLK-GSM-Modem benötigt, was beim relativ hohen Preis zu bedenken ist. Der Datendurchsatz ist relativ gering, zumal sich Funkstörungen stärker bemerkbar machen (FEC auf Sprache optimiert). Allerdings hat das Modem eine interne Fehlerkorrektur, sodaß die Störungen für den Benutzer nicht in Erscheinung treten. Hier ist man vom Netzaufbau unabhängig, dieser Modus kann bereits jetzt international genutzt werden.

Insgesamt sind die Hardwareanbieter dem Ausbaustand der Netze momentan deutlich voraus - wer nicht auf Datenübertragung im D-Netz angewiesen ist, ist gut beraten, noch einige Monate abzuwarten.

(WDR)