Die "Multimedia-Bremse"

Ruhe bitte, Telefon!

Radiohören am Arbeitsplatz? Ja gerne, aber das stört doch beim Telefonieren ... nun, mit dieser kleinen, aber feinen Schaltung nicht mehr!

Multimedia? Das ist doch, wenn die Kinder brüllen, der Besuch in voller Lautstärke ein Autorennen im Fernsehen verfolgt, man selbst gerade die neueste Rock-Scheibe anhört und dann noch mittendrin ans Telefon gerufen wird? Nun, zumindest gegen die elektronischen Lärmquellen kann man etwas tun, und zwar vollautomatisch, wie es im Auto schon seit einiger Zeit üblich ist: Autotelefone zum Festeinbau haben einen Stummschalte-Ausgang, der bei Telefonaten automatisch das Autoradio zum Schweigen bringt. Leider haben normale Telefone keinen solchen Anschluß, und den üblichen Radios und Fernsehern fehlt auch der entsprechende Eingang. Außerdem arbeiten sowohl Telefonnetz als auch viele Fernseher mit gefährlich hohen Spannungen, sodaß einfaches Verkoppeln nicht nur gegen die Telekom-Bestimmungen verstößt, sondern sogar sehr gefährlich ist. Daher kommt hier ein Bauteil der Vor-Elektronik-Ärea gleich mehrfach zu Ehren: das elektromechanische Relais. Seine Vorteile: sichere galvanische Trennung, keine Rückwirkung und geringe Übergangswiderstände. Aber auch für die Freunde moderner Halbleiterbauteile ist etwas geboten: ein Leistungs-MOSFET macht unsere Radiostummschaltung perfekt!

Zunächst ist festzustellen, ob das Telefon benutzt wird. Dazu kann man beispielsweise einen Mikroschalter am Telefon befestigen, der Kontakt gibt, sobald der Hörer abgenommen wird. Diese Variante ist auch an Posttelefonen erlaubt, solange man das Telefon nicht gerade zur Montage des Schalters anbohrt. Allerdings riskiert man, daß der Hörer nicht mehr so zuverlässig aufliegt, und besonders elegant ist eine solche Konstruktion nicht gerade. Bei Einhandtelefonen ist diese Lösung außerdem nicht möglich und bei schnurlosen Geräten völlig sinnlos.

Es ist aber technisch kein Problem, elektrisch den Unterschied zwischen "aufgelegt" und "abgehoben" zu erkennen: In aufgelegtem Zustand sind ungefähr 60V auf der Telefonleitung (in Nebenstellenanlagen etwas weniger) und es fließt kein Strom, hebt man ab, so reduziert sich die Spannung auf ungefähr 10V bei einigen Milliampere Strom. Wertet man die Spannung aus, so ist ein Verstärker notwendig, da schon eine geringe Belastung vom Amt als "abgehoben" interpretiert und damit die Leitung blockiert wird. Der Strom bei abgehobenem Hörer reicht dagegen schon aus, ein Relais zu betätigen. Das verwendete Teltone-Relais ist extra für diesen Zweck konstruiert worden: es zieht bereits bei 20 mA Schleifenstrom an und hat nur 20W Spulenwiderstand. Damit ist der Spannungsabfall auf der Leitung geringer als bei der üblichen Lösung mit Optokoppler und Brückengleichrichter. Außerdem bleibt die Symmetrie der Verdrahtung gewahrt, was vor unerwarteten Einstreuungen auf langen Telefonleitungen schützt. So manche Modemübertragung scheiterte schon an von einem Dimmer erzeugten Störungen. Allerdings ist der Spulenwiderstand des Relais immer noch etwas höher, als die Post erlaubt, weshalb dieses Relais nach Distributorauskunft keine Zulassung bekommen wird. Es gibt aber auch Relaisvarianten mit noch geringerem Schleifenwiderstand, für die die Zulassung vorbereitet wird. Also darf unsere Schaltung leider nicht direkt an eine Amtsleitung. Störungen sind allerdings kaum zu erwarten, da im Gegensatz zu Modems keine Signale ins Netz eingespeist werden und dieses durch Übersteuerung stören könnten. Auf Anfrage sah man daher beim BZT keine Bedenken, die Schaltung an Nebenstellenanlagen zu betreiben, auch wenn diese Amtszugang haben. Hier ist auch die Gefahr geringer, daß bei einem Blitzeinschlag Überspannungen von der Telefonleitung über das Relais auf Stereoanlage oder Fernseher durchschlagen, was beim direkten Anschluß an eine Amtsleitung schon mal möglich ist. Ist der Schleifenwiderstand der Telefonverdrahtung durch lange Leitungen oder viele Zusatzgeräte (Anrufbeantworter, Gebührenzähler, Faxweichen) bereits erhöht, kann es allerdings zu Funktionsstörungen kommen: Im ungünstigsten Fall würde das Abnehmen des Telefonhörers von der Anlage nicht mehr erkannt, in der Praxis kommt das aber kaum vor. Eher schon reagiert der Anrufbeantworter plötzlich nicht mehr auf das Abheben des Hörers und plappert munter weiter.

Im Prinzip könnte man den Kontakt des Teltone-Relais nun bereits direkt mit einem zweiten Relais verbinden, an das dann die zu steuernden Geräte angeschlossen werden. Doch würde die Schaltung dann recht hektisch reagieren und die Relais bei Pulswahl eifrig mitklappern, die auch in Nebenstellenanlagen teilweise anzutreffen ist. Daher wurde eine Pufferung mit dem Leistungs-MOSFET T1 vorgesehen, wobei C1 und R2 dafür sorgen, daß das Relais 2 erst nach einigen Sekundenbruchteilen wieder abfällt und so bei kurzem Antippen der Gabel (zum sofortigen Weitertelefonieren) und bei Pulswahl das Radio ruhig bleibt. R1 schützt den Kontakt von Rel 1 vor hohen Spitzenströmen beim Nachladen von C1 und D1 den MOSFET vor der induktiven Rückschlagspannung von Rel 2.

Zur Stromversorgung ist ein beliebiges unstabilisiertes Gleichspannungsnetzteil geeignet, das eine für Rel 2 geeignete Spannung bei ausreichendem Strom liefert. Die Schaltung funktioniert mit Relais von 6 bis 24 Volt und T1 hat mehr als ausreichende Leistungsreserven, sodaß man bei der Auswahl von Rel 2 ziemlich frei ist: will man nur ein Kofferradio stummschalten, so tut es ein einfaches Kleinrelais, während für eine 200W-Stereoanlage eine etwas stärkere Ausführung zu empfehlen ist, um nicht den Klang durch Kontakte mit hohen Übergangswiderständen zu verschlechtern. Auch können weitere Relais für Fernseher oder andere Geräte parallel geschaltet werden. Ist das Telefon in einer etwas schlecht beleuchteten Ecke aufgestellt, so kann man auch noch ein Lämpchen vorsehen, das nach dem Abheben automatisch Tastatur und Notizblock beleuchtet. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Die eigentliche Stummschaltung macht man am besten an den Lautsprechern. Das Relais wird dabei so beschaltet, daß es in Ruhestellung die Lautsprecher an den Verstärker schaltet. Es wäre zwar auch möglich, die Netzspannung abzuschalten, doch ist das häufige Ein- und Ausschalten den wenigsten Geräten zuträglich. Sind die Lautsprecher im Gerät, so baut man am besten das Relais ebenfalls dort ein und führt nur die Spulenanschlüsse heraus. Einfacher ist es aber, wenn die Lautsprecher extern über Leitungen angeschlossen sind, was auch bei etwas größereren Stereo-Radiorecordern mit abnehmbaren Boxen ("Ghettoblaster") schon der Fall ist: hier kann man die Schaltung ohne Eingriff ins Gerät einfach dazwischenstecken.

Will man das Radio nicht völlig stummschalten, sondern nur die Lautstärke verringern, so ist ein Widerstand Ry wie gezeichnet vorzusehen. Ein geeigneter Wert ist 33W bei einer Belastbarkeit von 1/10 der Verstärker-Ausgangsleistung. Der zweite Widerstand Rx mit 220W und 1/100 der Verstärker-Ausgangsleistung verhindert, daß der Verstärkerausgang völlig unbelastet läuft. Andernfalls knackt es beim Wiedereinschalten oft recht deutlich, wenn sich die Ausgangselkos im Verstärker in der Radiopause entladen haben. Bei Röhrenverstärkern muß Rx übrigens den gleichen Wert (und gleiche Belastbarkeit) wie die Lautsprecher haben, da diese nicht ohne Last betrieben werden dürfen.

(WDR)